So; nach "Alphaville" (auch ich war in diesem Jahrzehnt auf einem Konzert von ihnen und wurde sehr enttäuscht
) zurück zu der offiziellen Agatha Christie-Sammlung
Im "Cicero" hat Jürgen Busche ein paar Anmerkungen zu dem Buch "Passagier nach Frankfurt" zu Papier gebracht:
http://www.cicero.de/259.php?kol_id=10748
von Jürgen Busche
Agatha Christie: "Passagier nach Frankfurt"
Es ist nicht das Übliche, dass Bücher in Doppelpack, eingeschweißt auf einem bunten Pappkarton , über den Zeitschriftenhandel ihre Leser suchen. Aber genau das geschieht derzeit. Und es sind ansehnlich gestaltete hard-cover-Ausgaben der Werke von Agatha Christie, die so angeboten werden. Das ganze wird als „Die offizielle Sammlung“ angeboten, was eine Menge Bücher zu werden verspricht, und gleich in der zweiten Lieferung ist schon ein Titel dabei, den gewiss nur wenige in Deutschland kennen werden.
„Passagier nach Frankfurt“ ist ein Thriller in der Art von John Buchan oder Eric Ambler, wer diese Autoren liebt, wird nun dieser Erzählung nicht ungern die Zeit widmen, die etwa eine längere Eisenbahnfahrt in Anspruch nimmt. Christie`s Held, Sir Stafford Nye, ist nach dem angelsächsischen Muster zusammengesetzt, das eher das understatement liebt als die Aufschneiderei a la James Bond. Er arbeitet im Außenministerium und seine Karriere hinkt ein wenig den Erwartungen hinterher. Aber das macht ihm nichts aus.
Kenner des englischen Thrillers werden in diesem Buch etliche Figuren und Konstellationen erkennen, die ihm vertraut vorkommen. Aber zwei Knüller gibt es, die jeden Rahmen sprengen und erklären, warum dieser Roman es zu keinerlei Popularität in Deutschland gebracht hat. Die Autorin ist in ihrer dichterischen Freiheit hier einfach zu weit gegangen. Für denjenigen, der das Historische vor der Haustür hat und nicht jenseits der Meere dem allemal Ungewissen zuweisen kann, ist das, was sie in ihr hübsch verfertigtes Gericht hineingeworfen hat, schwer verdaulich.
Das eine: Hitler hat das Jahr 1945 überlebt. Wie? Er hat sich kurz vor Kriegsende in eine Irrenanstalt gegeben wo die Leute versammelt waren, die sich für Hitler hielten. Dort hat er sich austauschen lassen. Der Falsche ist in Berlin umgekommen. Dem Richtigen gelang die Flucht nach Südamerika. Das andere: Der 1970 zuerst erschienene Roman sieht in der weltweiten Jugendrevolte jener Zeit einen geplanten Aufruhr von rechts! Nicht linke Ideologen sondern verbohrte Nazis treiben ihr Unwesen. Man darf sich daran erinnern, dass die englische Journalistin Gillian Becker wenige Jahre später ein Buch über die Rote Armee Fraktion veröffentlichte, dem sie den Titel gab: „Hitlers Kinder“.
Jetzt muss darauf hingewiesen werden, dass „Passagier nach Frankfurt“ – leserfreundlich gedruckt – 320 Seiten umfasst. Hitler und die angeblich rechtsgerichtete Studentenbewegung spielen darin eine wichtige aber umfangmäßig nur kleine Rolle. Wer den Roman als Parodie liest, was gut möglich ist, wird sein Vergnügen daran haben. Rule, Britannia!
AGATHA CHRISTIE: „Passagier nach Frankfurt“.
Aus dem Englischen von Leonie Bubenheim.
Hachette Collections.