Re: Orient Express TV
Verfasst: 12.07.2010, 15:44
Ich habe heute die neue Verfilmung von „Murder on the Orient Express“ mit David Suchet sehen können und bin sehr begeistert. Natürlich werde ich mich erst nach mehrfachem Sehen in einer detaillierten Besprechung äußern, aber der erste Eindruck ist wirklich sehr positiv: Man merkt dem Film das Herzblut und die Begeisterung an, die die Verantwortlichen und natürlich allen voran Suchet als Poirot in diese Produktion gesteckt haben. Ein IMDB-User kommentiert ganz richtig: „David Suchet gives a towering and commanding performance as famed Belgium detective Hercule Poirot in this latest version of ‚Murder on the Orient Express’ based on the novel by Dame Agatha Christie. There is such fire and passion in Suchet’s eyes that I scarcely recognized his Poirot from the other times he has performed Poirot throughout his many years in this role. I literally could not take my eyes off of him.“
Schön ist, dass man eine völlig andere Herangehensweise spürt als bei dem Kinofilm aus dem Jahr 1974. Während sich dieser auf große Starnamen und den mit dem Zug verbundenen Glanz und Pomp konzentriert, entwickelt die zwangsläufig kleiner budgetierte Fernsehneuverfilmung ein tolles Gespür für den Gerechtigkeitsaspekt der Geschichte. Poirot wird einerseits als gänzlich von den Systemen des staatlichen Rechts überzeugt gezeigt, andererseits als tiefgläubiger Katholik. In beiderlei Hinsicht stellt ihn die Problematik der Auflösung und ihrer Handhabung (bleibt das Verbrechen juristisch ungesühnt?) vor massive Schwierigkeiten.
Indem man eine kurze Vorgeschichte einbaute, die sich größtenteils auf Erwähnungen im Buch zurückführen lässt, gibt man dieser Thematik noch mehr Nährboden und präsentiert eine düstere, aber sehr stimmige Variante des Klassikers. So lässt man gleichsam trotz Suchets superber Leistung der älteren, ganz anders gearteten Verfilmung mit Albert Finney eine Daseinsberechtigung.
Der Mordfall im Orientexpress wird stilecht und klassisch aufgerollt. Er bleibt sehr nahe am Buch, wenngleich man einige wenige Dinge der Einfachheit halber ausließ oder abänderte. So findet Poirots große Enttarnungsrede unter gänzlich anderen Bedingungen statt als in bisherigen Umsetzungen. Der Charakter des Mr. Hardman existiert in der Verfilmung nicht und auch das Ablenkungsmanöver mit dem roten Kimono findet keinen Platz.
Die Befragungen der internationalen Reisenden gestalten sich optisch und atmosphärisch zu kleinen Meisterstücken. Viele der neuen Darsteller hinterlassen gleich beim ersten Sehen einen äußerst markanten Eindruck. So hat man der Rolle der Mary Debenham ein sehr starkes Gewicht verliehen, was die Schauspielerin Jessica Chastain brillant und mit Respekt vor der Buchvorlage umsetzt. Äußerst gut gelungen sind auch die Besetzungen von Mr. Ratchett (Toby Jones hat ein großartiges Gesicht für das fiese Mordopfer!), Mr. Bouc (Serge Hazanavicius), Hector MacQueen (Brian J. Smith), Pierre Michel (Denis Menochet) und Prinzessin Dragomiroff (Eileen Atkins).
Mein einziges Problem mit der Neuverfilmung besteht in der Verkörperung der Mrs. Hubbard durch Barbara Hershey, die die neurotische amerikanische Plappertasche zu keinem Zeitpunkt so überzeugend spielt wie die großartige Lauren Bacall 1974 und dementsprechend die Entdeckung der Mordwaffe in ihrem Gepäck leider arg „versemmelt“.
Trotzdem bleibt ein Gefühl von Enge, von Kälte, von Ratlosigkeit und von der Schwierigkeit der Suche nach der wirklichen Gerechtigkeit. Diese Aspekte kommen dem Buch meinem Empfinden nach sogar noch näher als die Betonung von Chic und Eleganz durch den Finney-Klassiker. Bedenkt man außerdem die typisch hochwertige, bewegende und mit Gespür fürs Detail ausgeführte Inszenierung der Neuadaption, so bin ich vollauf mit Suchets Anlauf an den Christie-Poirot-Klassiker schlechthin zufrieden – an diesen Film erinnert man sich lange Zeit.
Hier noch der Link, der glücklich macht:
http://www.pbs.org/wgbh/masterpiece/poirot/index.html
Schön ist, dass man eine völlig andere Herangehensweise spürt als bei dem Kinofilm aus dem Jahr 1974. Während sich dieser auf große Starnamen und den mit dem Zug verbundenen Glanz und Pomp konzentriert, entwickelt die zwangsläufig kleiner budgetierte Fernsehneuverfilmung ein tolles Gespür für den Gerechtigkeitsaspekt der Geschichte. Poirot wird einerseits als gänzlich von den Systemen des staatlichen Rechts überzeugt gezeigt, andererseits als tiefgläubiger Katholik. In beiderlei Hinsicht stellt ihn die Problematik der Auflösung und ihrer Handhabung (bleibt das Verbrechen juristisch ungesühnt?) vor massive Schwierigkeiten.
Indem man eine kurze Vorgeschichte einbaute, die sich größtenteils auf Erwähnungen im Buch zurückführen lässt, gibt man dieser Thematik noch mehr Nährboden und präsentiert eine düstere, aber sehr stimmige Variante des Klassikers. So lässt man gleichsam trotz Suchets superber Leistung der älteren, ganz anders gearteten Verfilmung mit Albert Finney eine Daseinsberechtigung.
Der Mordfall im Orientexpress wird stilecht und klassisch aufgerollt. Er bleibt sehr nahe am Buch, wenngleich man einige wenige Dinge der Einfachheit halber ausließ oder abänderte. So findet Poirots große Enttarnungsrede unter gänzlich anderen Bedingungen statt als in bisherigen Umsetzungen. Der Charakter des Mr. Hardman existiert in der Verfilmung nicht und auch das Ablenkungsmanöver mit dem roten Kimono findet keinen Platz.
Die Befragungen der internationalen Reisenden gestalten sich optisch und atmosphärisch zu kleinen Meisterstücken. Viele der neuen Darsteller hinterlassen gleich beim ersten Sehen einen äußerst markanten Eindruck. So hat man der Rolle der Mary Debenham ein sehr starkes Gewicht verliehen, was die Schauspielerin Jessica Chastain brillant und mit Respekt vor der Buchvorlage umsetzt. Äußerst gut gelungen sind auch die Besetzungen von Mr. Ratchett (Toby Jones hat ein großartiges Gesicht für das fiese Mordopfer!), Mr. Bouc (Serge Hazanavicius), Hector MacQueen (Brian J. Smith), Pierre Michel (Denis Menochet) und Prinzessin Dragomiroff (Eileen Atkins).
Mein einziges Problem mit der Neuverfilmung besteht in der Verkörperung der Mrs. Hubbard durch Barbara Hershey, die die neurotische amerikanische Plappertasche zu keinem Zeitpunkt so überzeugend spielt wie die großartige Lauren Bacall 1974 und dementsprechend die Entdeckung der Mordwaffe in ihrem Gepäck leider arg „versemmelt“.
Trotzdem bleibt ein Gefühl von Enge, von Kälte, von Ratlosigkeit und von der Schwierigkeit der Suche nach der wirklichen Gerechtigkeit. Diese Aspekte kommen dem Buch meinem Empfinden nach sogar noch näher als die Betonung von Chic und Eleganz durch den Finney-Klassiker. Bedenkt man außerdem die typisch hochwertige, bewegende und mit Gespür fürs Detail ausgeführte Inszenierung der Neuadaption, so bin ich vollauf mit Suchets Anlauf an den Christie-Poirot-Klassiker schlechthin zufrieden – an diesen Film erinnert man sich lange Zeit.
Hier noch der Link, der glücklich macht:
http://www.pbs.org/wgbh/masterpiece/poirot/index.html